Das Jahr und der Ort meiner Geburt sind vielleicht schon ein Hinweis auf ein bewegtes Leben voller Ereignisse und Prüfungen.
Ich komme im März 1968 in West-Berlin auf die Welt, Resultat einer Liebesbeziehung zwischen einer deutschen Studentin und einem schweizer Studenten, rebellisch und unangepasst, beide politisch aktiv in der 68er Studentenbewegung.
Das junge Paar bleibt 2 Jahre lang verheiratet. Nach der Trennung kehrt mein Vater, der sein Studium beendet hat, zurück in seine Heimat, der Umgebung von Zürich.
Ich lebe in Kommunen bis ich 6 Jahre alt bin und dann bei meinen Grosseltern bis meine Mutter, als ich 8 Jahre alt bin, ihr Studium auch beendet hat.
Dann geht sie mit mir in die Schweiz, und lässt sich in der Nähe meines Vaters und deren Eltern nieder.
Ich bin ein liebes, zurückhaltendes und mitfühlendes Kind, sehr dem Wohl anderer zugetan. Ich habe Schwierigkeiten, Gemeinheiten zu verstehen und leide wegen der vielen Ungerechtigkeiten in der Welt.
Trotz häufiger Wohnortwechsel fällt mir die Grundschule sehr leicht. Das ändert sich, als ich mit 11 Jahren ins Gymnasium wechsle, welches ich schon 4 Jahre später mit 15 Jahren verlasse.
Ich leide unter Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten sowohl Gefühls- und Beziehungsproblemen. Mir mangelt es an Selbstwertgefühl und familiärer Unterstützung.
Wenige Monate später verlasse ich auch mein Zuhause, um in Zürich mein eigenes Leben zu beginnen. In mancher Hinsicht bin ich sehr frühreif und in anderer sehr unreif.
Während vier Jahren verkehre ich in unredlichen und gefährlichen Kreisen. Ich habe Glück, ich komme mit nur vier Zähnen weniger davon, Verletzung eines tragischen Angriffs.
Mit 20 Jahren entscheide ich mich für eine Ausbildung im Hotelgewerbe. Mir gefällt die familiäre Atmosphäre, die Möglichkeit zu reisen und verschiedene Kulturen kennenzulernen.
Ich setze meine Ausbildung mit Sprachaufenthalten in England und Frankreich fort und schliesse sie im Alter von 24 Jahren mit einem eidgenössischen Fachausweis ab.
In der Zwischenzeit bin ich nach Genf gezogen und habe den Mann geheiratet, in den ich verliebt bin. Ich bringe mein erstes Kind zur Welt.
Meine Beziehungen sind weiterhin kompliziert. Ich leide unter dem Alkoholkonsum meines Mannes, mein Kind hat eine ASS (Autismus-Spektrum-Störung) und bei meiner Arbeit fühle ich mich durch die Übernahme grosser Verantwortung überfordert.
Mit 27 hört alles auf, Burn-out, ich bin am Ende meiner Kräfte angekommen.
Ich werde krankgeschrieben, meine Beziehung steht kurz vor dem Aus, mein Sohn braucht spezielle Betreuung und dazu fühle ich mich schuldig, dass mir ein Leben so wie andere es führen nicht gelingt.
Ich beginne eine Therapie, die 5 Jahre dauern soll. Der Therapeut verweist mich gleich zu Beginn an Selbsthilfegruppen zur ergänzenden Unterstützung durch andere Betroffene, um meine Co-Abhängigkeit zu behandeln: eine Beziehungsstörung, die dazu führt, sich und eigene Bedürfnisse völlig zu ignorieren.
Ich entdecke anonyme Selbsthilfegruppen, mit selbstgeführten Strukturen, und fühle mich sofort am richtigen Platz.
Ich lerne anderen zu vertrauen, Unterstützung zu erhalten und erlebe erstmals das Gefühl von Zugehörigkeit. Dazu lerne ich mittels eines spirituellen Programms an mir selbst zu arbeiten und erkenne dabei, was wahre Liebe bedeutet.
Ich wechsle meine Arbeitsstelle, damit ich mehr Zeit mit meinem Sohn verbringen kann, den ich seit meiner Scheidung alleine grossziehe.
Ich finde eine Art Gleichgewicht und meine Lebensfreude kommt zurück.